„Deutschlands beste Arbeitgeber“: Es ist nicht alles Gold, was glänzt

Employer Branding 03.08.2018

„Wer sind Deutschlands beste Arbeitgeber 2018?“ So lautet die Frage, die seit Jahresbeginn in schöner Regelmäßigkeit über die Wirtschaftsnewsticker des Landes geistert. Arbeitgeberbewertungen und die daraus resultierenden Gütesiegel liegen im Trend. Medienunternehmen, Institute, Karrierewebsites – alle wollen die Antwort auf diese prestigeträchtige Frage kennen. Doch sie alle kommen zu recht unterschiedlichen Ergebnissen.

Great Place to Work: 100 aus 700

Insgesamt 100 Unternehmen zählt die Beratungsfirma Great Place to Work in seiner Liste „Deutschlands beste Arbeitgeber 2017“ in alphabetischen Reihenfolge auf. Insgesamt 700 Firmen hatten sich beworben. Die 600, die es nicht in die Bestenliste geschafft haben, bleiben anonym. „Bewertungsgrundlage im offenen Wettbewerb sind repräsentative Mitarbeiterbefragungen zur erlebten Arbeitsplatzkultur in den teilnehmenden Unternehmen sowie eine Befragung des Managements zu förderlichen Maßnahmen und Angeboten der Personalarbeit“, heißt es in der Pressemitteilung zur Preisverleihung. Ermittelt werden Gewinner in vier Kategorien, die sich nach der jeweiligen Unternehmensgröße richten. Bei den Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern hat Infineon Technologies aus Neubiberg gegenüber Lidl Deutschland die Nase vorn. Die SICK AG aus Baden-Württemberg führt das Ranking der Unternehmen mit 2.001 bis 5.000 Mitarbeitenden an. Auf Platz 2 listet die Maschinenfabrik Rheinhausen aus Regensburg, gefolgt von der ING-DiBa auf Rang 3. Bei den Unternehmen mit 500 bis 2.000 Mitarbeitenden konnte sich Adobe Deutschland vor der DIS AG und Vector Informatik durchsetzen. Bei kleinen Unternehmen mit 50 bis 500 Mitarbeitern landete PASCOE Naturmedizin aus Gießen auf dem Spitzenplatz. Auf den Plätzen folgen St. Gereon Seniorendienste und Maiborn Wolff aus München.

„Focus“ und Kununu sehen adidas, Google und Bayer vorne

Bereits zum sechsten Mal kürte das Magazin „Focus“ Ende Januar „Deutschlands beste Arbeitgeber“. In Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeberbewertungsportal Kununu und dem Marktforschungsinstitut Statista wurde 1.000 nationalen Konzernen das Prädikat „Top-Arbeitgeber“ verliehen. Dafür wurden 127.000 Arbeitgeber-Beurteilungen ausgewertet – aus einer unabhängigen Online-Befragung, einer Umfrage unter Mitgliedern des Netzwerks Xing sowie aktuellen Daten des Bewertungsportals Kununu. Den Platz an der Sonne hat beim „Focus“ Sportartikelhersteller adidas inne. Im Vergleich zum Vorjahr kletterte das Unternehmen aus Herzogenaurach von Position 8 bis an die Spitze. Am besten bewerten die Mitarbeiter auf Kununu das Image des Konzerns. Der Wohlfühlfaktor wird als überdurchschnittlich beschrieben. Rang 2 behauptet, wie schon im Vorjahr, Internetgigant Google Germany. Die Mitarbeiter schätzen vor allem Arbeitsatmosphäre und Arbeitsbedingungen. Der Pharmakonzern Bayer rutscht dagegen ab: Hatte er die Liste 2017 noch angeführt, bleibt in diesem Jahr nur noch die Bronzemedaille. Mit 4,31 von 5 möglichen Punkten sind vor allem die Auszubildenden mit ihrem Unternehmen zufrieden. BMW profitiert von Konstanz und folgt als „bester Autobauer“ auf Platz 4 und konnte seine Platzierung gegenüber dem Vorjahr halten. Dicht dahinter rangiert Daimler auf Rang 5, das sich um zwei Plätze verbessert hat. Die SAP klettert um vier Plätze gegenüber dem Vorjahresranking und ist aktuell Sechster. Hier freuen sich die Mitarbeiter unter anderem über die sehr gute Gleichberechtigung und den guten Umgang mit älteren Kollegen. Sportartikelhersteller PUMA landet auf Rang 7, ehe auf Platz 8 mit dem Flughafen München eine kleine Überraschung folgt. Top-Wertungen gab es hier unter anderem für die gute Work-Life-Balance. Autobauer Audi fällt von Platz 3 auf 9, hält sich aber gerade noch in den Top 10. Platz 10 belegt in diesem Jahr das Bauunternehmen Diringer & Scheidel, das durch nur 12 Bewertungen auf Kununu zu einer Platzierung unter den besten zehn Arbeitgebern des Landes kommt.

Glassdoor: Porsche AG gleich zweimal in den Top 10

Seit 2015 ist das Arbeitgeberbewertungsportal Glassdoor, US-Rivale von Kununu, auf dem deutschen Markt aktiv. In diesem Jahr legt das Portal bereits zum dritten Mal sein Ranking vor, das ausschließlich auf den Bewertungen seiner Nutzer basiert. Das sind laut eigener Aussage knapp 38 Millionen Bewertungen für über 740.000 Unternehmen – allerdings weltweit (Stand: Dezember 2017). Auf Platz eins der „besten Arbeitgeber 2018“ rangiert bei Glassdoor Bain & Company. Das weltweit tätige Beratungsunternehmen mit Hauptsitz in Boston und deutschen Niederlassungen in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt und München kommt auf eine Durchschnittsbewertung von 4,7 von 5 möglichen Punkten. Ein steiler Aufstieg, hatte es das Unternehmen im Vorjahr noch nicht einmal unter die Top 25 geschafft. Besonders schätzen die Mitarbeiter Kultur und Werte sowie Vergütung und Karrieremöglichkeiten. Abstriche gibt es dagegen bei der Work-Life-Balance. Als Zweiter fährt mit der Management- und IT-Beratung MHP ein Tochterunternehmen der Porsche AG durchs Ziel. Auch MHP ist erstmals unter die Top 25 vorgedrungen. Die positiven Beurteilungen von Kultur und Karrieremöglichkeiten überstrahlen die durchschnittlichen Bewertungen von Work-Life-Balance und Vergütung und führen zu insgesamt 4,6 Punkten in der Gesamtwertung. Obwohl das Walldorfer Business-Software-Unternehmen SAP seine Punktzahl im Vergleich zum Vorjahresranking von 4,4 auf 4,6 Punkte steigern konnte, fiel es vom ersten auf den dritten Rang zurück. Dabei vergaben die SAP-Mitarbeiten in sämtlichen Bereiten gute Bewertungen. Eine Top-3-Platzierung knapp verpasst hat Infineon Technologies. Nachdem der Chips-Hersteller im Jahr 2016 auf der Pole Position landete, war es 2017 aus den Top 10 gefallen (Platz 11). Auf Platz 5 folgt PUMA, das bei Glassdoor um zwei Plätze besser abschneidet als beim „Focus“ und sogar den dortigen Sieger und Konkurrenten adidas hinter sich lässt. Die Liste der „beliebtesten Autobauer“ führt Porsche an. Mit 4,3 Punkten lassen die Stuttgarter ihre Konkurrenz hinter sich. Einen Rang dahinter und gegenüber der Vorjahresliste um einen Platz abgerutscht folgt Daimler. Mit den Plätzen 7, 6 und 8 war Daimler bisher immer unter den ersten Zehn vertreten. Auch BMW schaffte es bereits zum dritten Mal unter die Top 10. Nach den Platzierungen 4 (2016) und 10 (2017) steht dieses Jahr Platz 8 zugute. Wie bereits im Jahr 2016 landet Sportartikelhersteller adidas auch 2018 auf Platz 9. Ein Rückschritt, nachdem man im Vorjahr noch als „zweitbester Arbeitgeber Deutschlands“ ausgezeichnet wurde. mömax, der Mödeldiscounter aus Österreich, rundet die Top 10 mit 4,4 erzielten Punkten ab. Überraschend: Autobauer Audi, in der „Focus“-Liste als Neunter aufgeführt, wird bei Glassdoor erst auf Rang 21 gelistet. Mit Google Germany, dem Flughafen München sowie Diringer & Scheidel sind drei Unternehmen mit Top-10-Platzierungen beim „Focus“ überhaupt nicht in Glassdoors Top-25-Liste vertreten. Im Gegenzug sucht man die beiden Top-platzierten der Glassdoor-Liste ­– Bain & Company und MHP – unter den ersten 30 des „Focus“ vergebens. Auch Infineon Technologies und mömax sind dort nicht vorne dabei.

Leading Employers: Das ultimative Meta-Ranking?

In der 3.works GmbH haben sich laut eigener Aussage „Liebhaber des Employer Branding Marktes und Kenner der Zertifizierungslandschaft“ zusammengeschlossen. Gemeinsam mit ihrem Medienpartner „Die Zeit“ haben sie 2018 erstmals die Auszeichnung „Leading Employers Deutschland“ ins Leben gerufen. Laut Anbieterangaben werden für das Ranking über 5 Millionen Datensätze ausgewertet, unter anderem auch die Bestenlisten von Great Place to Work und Kununu, weshalb sich die Auszeichnung mit dem „umfassendsten Arbeitgeber-Bewertungssystems in Deutschland“ als eine Art Meta-Ranking sieht. Die Top-100-Liste ist alphabetisch geordnet. Hier tauchen mit Bayer, BMW, Daimler, ING-DiBa, Infineon Technologies, PUMA und Vector Informatik immerhin sieben Unternehmen auf, die bereits in einem der anderen Rankings an Top-Positionen aufgeführt waren. BMW, Daimler und PUMA sind sogar sowohl im Ranking der „Zeit“, als auch unter den besten Zehn bei „Focus“ und Glassdoor vertreten. Daraus lässt sich schließen: Diese drei Unternehmen sind die arbeitnehmerfreundlichsten in Deutschland! Oder? Bedeutet dieser Umstand wirklich, dass BMW, Daimler und PUMA bessere Arbeitgeber sind, als Firmen, die es vielleicht nur auf einen der hinteren Plätze geschafft haben oder gar nicht im Ranking auftauchen?

Arbeitgeber-Ranking: Ohne Kritik geht es nicht

„Nein!“, sagen Kritiker. Und tatsächlich mag man sich fragen, wie man – Statistik hin, Umfragen her – bei etwa 32.000.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Deutschland glaubwürdig die besten Arbeitgeber ermitteln will. Schon allein deshalb, weil jeder Arbeitnehmer an seinen Arbeitgeber unterschiedliche, persönliche Kriterien zur Bewertung ansetzt. Besonders in den Blickpunkt gerät immer wieder das Ranking des „Focus“. Stein des Anstoßes ist der Umstand, dass prämierte Unternehmen, die mit der Auszeichnung „Top-Arbeitgeber“ offiziell werben wollen, 12.500 Euro zahlen sollen – pro Jahr! Das erklärt wohl, weshalb die Erhebung Jahr für Jahr nicht die besten 50 oder 100, sondern gleich die besten 1.000 Arbeitgeber Deutschlands ermittelt haben will. Und das, obwohl der Anbieter selbst über seine Studie schreibt: „Die Arbeitgeberliste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ.“ Demselben Prinzip wie der „Focus“ folgt seit diesem Jahr „Die Zeit“, deren Auszeichnung „Leading Employers“ ebenfalls mit einem kostenpflichtigen „Leistungspaket“ für die prämierten Unternehmen einhergeht und deshalb nicht wesentlich glaubwürdiger auftritt. Auch Erhebungen von Beratungsinstituten wie Great Place to Work haben nur eine begrenzte Aussagekraft. Denn dort werden nur die Unternehmen bewertet und zertifiziert, die von sich aus an den Wettbewerben teilnehmen. Und: Auch hier kostet die Teilnahme Geld. Und wie steht es um die Glassdoor-Studie? Wie alle öffentlichen Arbeitgeber-Rankings hat sie das Problem, dass kleinere Unternehmen aus dem Ranking fallen. Auch bewertet dort nicht die ganze Belegschaft eines Unternehmens, sondern nur ein winziger Teil. Außerdem ist nicht einsehbar, wie unabhängig die Beurteilungen erstellt wurden – Gefälligkeitsbewertungen sind nicht auszuschließen. Immerhin: Direkt erkaufen kann man sich die Glassdoor-Auszeichnung nicht. Dafür fällt bei Glassdoor ins Auge, das vor allem international tätige Unternehmen mit vielen Niederlassungen überall auf dem Globus auf der Bestenliste erscheinen. Da das Bewertungsportal erst seit 2015 in Deutschland vertreten ist, ist der deutsche Anteil an den Bewertungen von Arbeitgebern meist noch sehr gering. So stammen beispielsweise von den gut 1.800 gezählten Bewertungen für die Siegerfirma Bain & Company nur 50 von Mitarbeitern aus den deutschen Standorten. Die überwiegende Mehrheit basiert also auf Bewertungen von Arbeitnehmern, die gar nicht in Deutschland angestellt sind. HR-Blogger Lars Hahn zieht deshalb das Fazit: „Von Repräsentativität keine Spur, noch nicht einmal versuchsweise. […] Deshalb ist es schlichtweg gewagt, bei einem Ranking oder Arbeitgebersiegel seriös ‚Deutschlands besten Arbeitgeber‘ zu postulieren.“ Und sein Blogger-Kollege Henner Knabenreich rät: „Bewerber sollten sich von solchen Siegeln nicht blenden lassen und das Zustandekommen hinterfragen.“ Tatsächlich muss letztendlich jeder Berufstätige selbst entscheiden, ob und welchen Rankings oder Auszeichnungen er Beachtung schenkt und inwiefern er sich bei seiner Jobsuche davon beeinflussen lässt. Was die Entscheidung für oder gegen einen Arbeitgeber betrifft, sollten ohnehin andere Faktoren wichtiger sein.   Zuerst erschienen auf HRM.de – dem Netzwerk für Personaler.

Sebastian Ofer

Editor in Chief

Sebastian Ofer ist Chefredakteur der Online-Portale HRM.de und HRM.ch sowie des TALENTpro-Blogs. Der Journalist und studierte Germanist hat ein sicheres Auge für spannende personalwirtschaftliche Themengebiete und die neusten Trends der Arbeitswelt.

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