Was hat sich in den letzten Jahren in der Candidate Journey im Spannungsfeld zwischen analog und digital verändert? Wie muss die HR-Abteilung aufgestellt sein, um erfolgreich Fachkräfte zu gewinnen? Welchen Zusammenhang gibt es zwischen der Unternehmenskultur und der virtuellen Karriereseite? Und wie wichtig werden in Zukunft Active Sourcing, Chatbots, KI und Algorithmen sein? Über diese und weitere Themen spricht Alexander Petsch, CEO des HRM Institute, in der heutigen HRM Hacks Folge mit Prof. Dr. Anja Lüthy, Professorin an der TH Brandenburg und Gründerin des TCO (Training Coaching Outlet Berlin).
Heute wird der rote Teppich ausgerollt
Die fundamentale Erkenntnis, die sich Unternehmen vor Augen halten müssen, wenn es um die Candidate Journey geht, ist dass sich in der heutigen Zeit ArbeitgeberInnen bei den Nachwuchskräften, Stellensuchenden und IT-ExpertInnen bewerben und nicht umgekehrt. Aus ihrer langjährigen Erfahrung berichtet Prof. Dr. Lüthy darüber, dass vielen Unternehmen nicht bewusst ist, inwieweit für eine solche Candidate Journey, bei der die BewerberInnen im Fokus stehen, ausreichende personelle Ressourcen nötig sind. „Und zwar nicht nur Studenten und Praktikanten, sondern Expertinnen und Experten für Personalmarketing, Employer Branding, Recruiting und Talent Acquisition, die ausgewiesenes Fachwissen haben. Ohne wird es den Unternehmen nicht mehr gelingen, genug Personal zu finden.“ Denn all diese Tätigkeiten sind laut Prof. Dr. Lüthy „eine Kunst, eine Wissenschaft, ein Fach für sich“, für die HRler ausgebildet werden müssen.
Die Zeiten, in denen die Personalabteilung nur als Verwalter von Krankschreibungen, Urlaubsdokumentation, Personalaktenführung, Löhnen, Gehältern und anderen administrativen Tätigkeiten verstanden wurde, sind nämlich vorbei. Heute muss HR nicht nur die wichtigste Ressource des Unternehmens suchen, nämlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch Impulse geben zu Unternehmenskultur, Produktqualität, Führungsstil, Umgang miteinander und vielen weiteren Themen, um so das Unternehmen mitzugestalten.
Ohne eine gute analoge Arbeitswelt, keine gute Unternehmenskultur in der virtuellen Welt
Sobald die HR-Abteilung mit den entsprechenden ExpertInnen ausgestattet wurde, ist der nächste Punkt auf der Candidate-Journey-To-Do-Liste, für ein richtiges Miteinander im Unternehmen zu sorgen, einen Purpose des Unternehmens aufzustellen, die Werte des Unternehmens zu stärken, Teams zusammenzustellen, die gut zusammenarbeiten und Vorgesetzte einzubinden, die ihre MitarbeiterInnen gut führen können. Erst dann kann die Unternehmenskultur aus der analogen Welt in die digitale Welt übertragen werden.
Diese Unternehmenskultur muss in der virtuellen Welt laut Prof. Dr. Lüthy so präsentiert werden, „dass auf die Frage ‚Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist denn der attraktivste Arbeitgeber im Land?“ euer Unternehmen aufpoppt.“ Dabei ist insbesondere zu beachten, dass sich diese Unternehmenskultur auf der Online-Karriereseite widerspiegelt und zwar dort, wo sich die Stellenanzeigen befinden und wo Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder sogenannte Corporate InfluencerInnen durch Storytelling „von ihren Arbeitsplätzen und von ihren Chefinnen und Chefs erzählen, von ihren Arbeitsbedingungen schwärmen, aber eben auch über die Ecken und Kanten sprechen, die ihre Jobs haben, wie beispielsweise Drei-Schicht-Betrieb.“ so Prof. Dr. Lüthy.
Karriereseiten müssen flashen
Bei der Karriereseite gibt es laut Prof. Dr. Lüthy zudem zu beachten: „Entweder ist sie zum Verlieben und ich habe da richtig Bock, weiter zu recherchieren, weil ich merke, sie sprechen mich an, sie haben auch Links zu Instagram und Co., wo ich hinter die Kulissen schauen kann. Oder sie haben nicht einmal einen Reiter zur Karriereseite und sind letztlich eher trocken, leblos und langweilig und erinnern mich an einen Friedhof.“
Damit die Karriereseite überhaupt von den passenden KandidatInnen gefunden wird, muss die HR-Abteilung auch dafür sorgen, dass Campaignings dafür aufgesetzt werden. Das bedeutet, es müssen in erster Linie Landingpages mit den Stellenanzeigen erstellt werden, die der entsprechenden Zielgruppe auf Instagram, Facebook, LinkedIn und Co. ausgespielt werden. Wichtig ist hierbei, dass Stellenanzeigen modern und ansprechend geschrieben sind und nicht so, als wären sie auf dem Stand von 1986 stehen geblieben.
Chatbots, KI, Algorithmen & Co.
Die Karriereseite soll nicht nur eine virtuelle Repräsentation der Unternehmenswelt darstellen und Links zu Plattformen wie Instagram, Twitter und Facebook enthalten, sondern sie soll im besten Fall auch über einen Chatbot verfügen, den die BewerberInnen rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche befragen können. Denn junge Leute recherchieren gerne ab 17-18 Uhr, wenn die Personalabteilung nicht mehr im Haus ist und sie sind in diesem Zusammenhang auch bereit, sich im ersten Schritt mit einem Chatbot zu unterhalten, der einen guten Algorithmus hat und Fragen zu Gehalt, Bewerbungsprozess und Arbeitszeiten zufriedenstellend beantworten kann.
Außerdem sieht Prof. Dr. Lüthy innerhalb der nächsten zehn Jahre wahnsinniges Potenzial für KI und Algorithmen in der Candidate Journey, um Fragen zu beantworten, Stellenanzeigen zu posten oder Empfehlungen für weitere zu besetzende Stellen zu geben. Zwischenmeldungen über den Stand der Bewerbung, vergleichbar mit der Verfolgung eines Amazon-Pakets und Empfehlungsalgorithmen wie bei Amazon, Netflix und Co. werden in Zukunft ebenfalls an der Tagesordnung sein. So werden sich die HR-MitarbeiterInnen bewerberzentriert um diejenigen kümmern können, die sie persönlich treffen möchten. Die Menschen werden durch die Technologie nicht ersetzt, sondern unterstützt werden.
Die Kommunikation auf allen Kanälen
In der Kommunikation mit BewerberInnen sollten Unternehmen laut Prof. Dr. Lüthy so viele Kanäle wie möglich offen halten: E-Mail, Telefon, SMS, WhatsApp, Online-Bewerbungsformular, LinkedIn, Instagram, Twitter etc.
Nach dem Ausfüllen des Online-Bewerbungsformulars durch die KandidatInnen sollte sich die HR-Abteilung sofort zurückmelden, im Sinne von „man bekommt
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