Ändern Zielgruppen ihr Nutzerverhalten, funktionieren klassische Employer-Branding-Kampagnen nicht mehr wie gehabt. Mit den veränderten Herausforderungen des Recruitings in Zeiten von Social Media und Co. beschäftigten sich drei Bücher, nach deren Lektüre so manche Einstellung zur Mitarbeitergewinnung über Bord geworfen gehört.
Wen erreichen Unternehmen wo und wie am besten? Diese Frage sollten sich erfolgreiche Recruiter stellen. Nach einer Bitkom-Umfrage hört zum Beispiel inzwischen jeder fünfte Bundesbürger (22 Prozent) Podcasts. 2016 waren es noch14 Prozent. Dabei sind Podcast-Hörer laut einer Umfrage des Podcast-Vermarktungsunternehmens Podstars von Mitte 2018 zu fast drei Vierteln zwischen 21 und 35 Jahre alt und gebildet; 90 Prozent von ihnen haben das Abitur oder einen Hochschulabschluss gemacht. Sie wünschen sich eine individuelle, authentische Ansprache. Daimler geht mit seinem Podcasts Head-Lights, seit Anfang April 2019 zu hören, auf diesen Trend ein: Ein Systemelektroniker-Azubi, ein Personalstratege, ein Chefökonom, eine Meisterin der S-Klasse-Produktion und der CEO Dieter Zetsche persönlich erzählen, was sie in ihrer Arbeit tun und was sie bewegt. Auch Hornbach, die Telekom oder Audi nutzen den Trend zum Podcast, um Bewerber zu gewinnen.
Die Ansprache muss bei Bewerbern ankommen und Interesse wecken. Genau diese Aspekte, welche die Grundlage des Recruitings betreffen, beleuchten die folgenden Bücher. Sie enthalten, wie ich finde, viele wertvolle Anregungen für die Praxis. Auch zum wichtigen Onboarding, der Einführung neuer Mitarbeiter ins Unternehmen, kann ich eine praxisrelevante Lektüre empfehlen.
Bernhard Schelenz und Oliver Gerrits: Candidate Profiling. Wie Sie Bewerber identifizieren und erreichen. Berichte aus dem wirklichen Leben. Publicis, 2018, 127 Seiten
Worum geht es?Am Anfang lassen die Autoren eine große Hoffnung für modernes Recruiting sterben, die viele mit Facebook & Co. verbinden. Aus ihrer Sicht führen mehr Kontaktversuche über Social Media nur dazu, dass diese früher oder später nicht mehr gelesen, sondern einfach ignoriert werden. Auch Employer Branding oder Active Sourcing verlieren nach dieser Lesart ihre Wirkung, weil alle das Gleiche tun, zum Beispiel eine Work-Life-Balance versprechen. Die Alternative, Employer Reputation, zeichnet über Kandidaten-Personas zwar ein präzises Bild vom idealtypischen Bewerber – mehr aber nicht. Gekonnt bereiten die Kommunikations- und Marketingexperten das Feld vor, ihr Candidate Profiling vorzustellen. Diese Methode erweitert den Blick auf den gesamten Menschen – von dessen Arbeits- auf seine Lebenswelt, wozu Statistik und eigene Recherche beitragen. Der Leser schlüpft in die Rolle eines Candidate Profilers, indem er Analysedaten als Anknüpfungspunkte erkennt. Nachvollziehbar entstehen alternative Lösungsansätze für den Erstkontakt, der in einigen Varianten durchgespielt wird. Insgesamt erfährt man ausführlich, wie die Methode zur gewinnenden Ansprache führt. In konkreten Beispielen für die Personalsuche besonders gefragter Fachkräfte, die gut die Hälfte des Buches ausmachen, werden sicher viele Personaler Nachahmenswertes finden. Mit Candidate Profiling können sie ein lebensnahes Bild mit Tiefenschärfe über passende Bewerber zeichnen und anwenden.
Für wen? Personaler und Headhunter.
Uwe Peter Kanning: 50 Strategien, die falschen Mitarbeiter zu finden … und wie Sie es besser machen können. Beltz, 2017, 264 Seiten
Worum geht es?Es gibt heute noch angebliche Experten, die den geeigneten Bewerber anhand seines Händedrucks erkennen wollen. Ironie weiß Uwe Peter Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie, elegant wie präzise einzusetzen. Der begnadete Rhetoriker räumt mit Mythen bei der Personalauswahl auf, führt vor, wie falsch es ist, etwa allein seiner Menschenkenntnis zu vertrauen und aus dem Bauch heraus einzustellen. Gleiches gilt für Anhaltspunkte wie Lücken im Lebenslauf, Formfehler, Foto oder gar die Unterschrift – diese verstellen den Blick, dass der Bewerber abgesehen davon perfekt passen würde und sagen nur wenig über die Leistung aus. Flott und unterhaltsam argumentiert der Autor, dessen Steckenpferd die Personaldiagnostik ist, in seinen 50 Strategien für eine wissenschaftlich fundierte Personalauswahl. Er definiert, wann Testverfahren objektiv und zuverlässig sind. Sein Plädoyer ist schlüssig, stellt alles Wichtige von der Anforderungsanalyse bis zum Assessment-Center vor und gibt Tipps für die praktische Umsetzung.
Für wen? Personaler und Führungskräfte.
Klaus Moser, Roman Souček, Nathalie Galais und Colin Roth: Onboarding – Neue Mitarbeiter integrieren. Hogrefe, 2018, 140 Seiten
Worum geht es?In der Schifffahrt wird ein Matrose „an Bord genommen“ und eingewiesen. Übertragen auf die Mitarbeitereinstellung hat sich der Begriff Onboarding etabliert. Es ist kein Selbstläufer, neue Mitarbeiter zu integrieren. Das Autorentrio um Klaus Moser zeigt psychologische und strukturelle Dynamiken auf, die Frau oder Mann schnell wieder über Bord gehen lassen. Demgegenüber stehen Strategien, die Erfolg versprechen. Mitarbeiter sollen sich schließlich fachlich und kulturell akklimatisieren sowie Normen und Werte des Unternehmens erkennen und danach handeln. Um dieses Ziel zu erreichen, werden unter anderem informelle Rekrutierungsmethoden herausgestellt, etwa neue Mitarbeiter auf Empfehlung einzustellen. Denn diese können zu einem höheren Integrationserfolg führen. Die Autoren zeigen, wie es in Zeiten häufiger Jobwechsel gelingt, nötige Prozesse für ein reibungsloses Onboarding zu integrieren. Den umfassenden Überblick komplettieren zahlreiche Fallbeispiele.
Für wen? Personaler.