Moderne Arbeitgeber legen wenig Wert auf Hierarchie und die damit verbundenen Statussymbole. Coworking Spaces, Duz-Kultur oder Open Door Policy sind in aller Munde. Auch traditionelle Konzerne hinterfragen immer häufiger ihre Strukturen und orientieren sich an Führungsstilen von Start-ups. Führung soll in eine dynamische, globale Wirklichkeit transformiert werden.
Wohin führt die Entwicklung? Zum Ende der Führung? Zu Unternehmen, die allenfalls noch Geschäftsführer haben, sich aber im operativen Geschäft ansonsten ohne Führungskräfte organisieren?
Die richtige Balance zwischen Leadership und Eigenverantwortlichkeit finden
Die Daten aus dem Great Place to Work® Kultur Audit – einer Befragung von Unternehmen über Maßnahmen und Programmen zur Gestaltung von Arbeitsplatzkultur – zeigt, dass die Frage, ob man Führungskräfte abschafft, keine Entweder-oder-Entscheidung ist. Vielmehr geht es um eine Entwicklung in Richtung Partizipation und Eigenverantwortung. Unternehmen, die auf Führungskräfte – weitestgehend – verzichten, sind noch eine kleine Minderheit.
Was hat es mit den Daten auf sich?
Die Great Place to Work® Ergebnisse sind nur bedingt repräsentativ für den gesamten Arbeitgebermarkt in Deutschland. Denn Unternehmen, die bei Great Place to Work® teilnehmen, werden von ihren Mitarbeitenden besser bewertet als der Bundesdurchschnitt. Die Mitarbeitenden der bei Great Place to Work® teilnehmenden Unternehmen, stimmen zu 75% der Aussage zu, dass Ihr Unternehmen in Sachen Arbeitsplatzkultur entweder bereits ein sehr gutes oder exzellentes Niveau erreicht hat oder diese Ambitionen hegt. Im Vergleich zu Gesamtdeutschland ist dies ein sehr guter Wert. Befragt man Mitarbeitende in ganz Deutschland ergibt sich nur eine Zustimmung von 65%. Entsprechend wären die Ergebnisse, um für ganz Deutschland repräsentativ zu sein, nach unten zu korrigieren.
Welche konkreten Maßnahmen können Unternehmen in ihren Führungsstil einbauen?
Wenn nun die Abschaffung der Führung für viele Unternehmen (noch) nicht ansteht, bleibt die Frage was Unternehmen machen können, um Mitarbeitende in ihren Bedürfnissen und Erwartungen an die Arbeit gerecht zu werden. Führen in Zeiten des ständigen Wandels, globaler Herausforderungen und disruptiver Veränderungen heißt weniger Kontrolle durch die Führungskraft und mehr Verantwortung des Einzelnen. Wie spiegelt sich dieser Paradigmenwechsel in den befragten Unternehmen der letzten zwei Jahre wider?
Flexible Arbeitsgestaltung
Möglichkeiten zur flexiblen Arbeitsgestaltung sind bei den Teilnehmern der Befragung eine Selbstverständlichkeit. Konkret heißt dies, dass man unter dem Begriff ‚Vertrauensarbeitszeit‘ Regelungen zur Arbeitszeit abschafft oder sehr differenzierte Regelungen vereinbart. Flexible Arbeitszeiten beziehen auch Arbeitszeitmodelle wie vorübergehende Teilzeit oder Sabbaticals mit ein. Eine Flexibilisierung des Arbeitsortes im Sinne von Home-Office bzw. mobilem Arbeiten ist ebenfalls weit verbreitet, aber natürlich gibt es hier Restriktionen, bspw. in der Produktion. Der Lagerist kann seinen Arbeitsplatz nicht umlagern. Den Unternehmen sind hier natürliche Grenzen gesetzt, die kompensiert werden müssen.
Offener Zugang zu Informationen
Zudem ist eine Open Door Policy inzwischen weit verbreitet. Auch Mitglieder des Top Managements sind in der Regel zu unkomplizierten, schnellen Wegen bereit. Der transparente Umgang mit Informationen kann sich auch in Maßnahmen wie einem regelmäßigen Frühstück mit der Geschäftsführung zeigen.
Partizipation an Unternehmensentscheidungen und Freiräume für MA-Projekte
Wenn es um die Beteiligung an Unternehmensentscheidungen geht, werden Maßnahmen bei den Teilnehmern seltener. Bei der tatsächlichen Vertrauensfrage bezüglich unternehmensbestimmender Schritte sind viele Führungskräfte zurückhaltend.
Aber was können Unternehmen tun, um den Mitarbeitenden mehr Verantwortung zu übertragen und an wichtigen, unternehmerischen Entscheidungen zu beteiligen? Fünf Beispiele:
- Das Gegenstromverfahren: Von Mitarbeitenden erarbeitete Konzepte, die von den Führungskräften umgesetzt werden. Mitarbeitende können so Veränderungsprozesse aktiv mitgestalten.
- Das überlasse ich den Experten: Führungskräfte legen Themengebiete bewusst in die Hände unternehmensinterner Experten, welche gewisse Entscheidungen ohne Einwilligung der Geschäftsführung treffen dürfen.
- Einspruch!: Wichtige unternehmerische Entscheidungen können durch ‚Instant Feedback‘ verhindert werden, in dem man demokratische Prozesse einführt.
- Die 15% Regel: Mitarbeitende können 15% ihrer Arbeitszeit frei an eigenen Projekten arbeiten und sich hierfür auch über Abteilungs- und Hierarchieebenen hinweg mit Kolleginnen und Kollegen zusammentun.
- Die Innovation Kick Box: Unternehmen nehmen ihre Mitarbeitenden an die Hand. Bei der Umsetzung eines Projektes erhält jeder Mitarbeitende konzeptionelle Vorschläge für den optimalen Ablauf. Außerdem gibt es einen festen finanziellen Rahmen, über den die Mitarbeitenden für ihr Projekt verfügen können.
Welcher Führungsstil wird von Mitarbeitenden eingefordert?
Und was wollen die Mitarbeitenden? Offenkundig die Quadratur des Kreises: Eine Erhebung von Stepstone und der Personalberatung Kienbaum aus dem letzten Jahr zeigt, dass Fachkräfte einerseits zu großer Mehrheit in einem Unternehmen mit flachen Hierarchien und in einem selbstverantwortlichen Team arbeiten wollen (um die 80% der Befragten waren jeweils dafür); sich andererseits aber auch einen Vorgesetzten wünschen, der klare Anweisungen geben kann. In einer Welt des dynamischen Wandels sind Eigenverantwortung und Selbstverwirklichung genauso wichtig wie Orientierung und Komplexitätsreduktion durch Führung. Auch dieses Beispiel zeigt, dass Unternehmen nicht umhinkommen, sich die Frage nach der richtigen Balance zu stellen und die jeweils passende Antwort im Dialog zwischen Führung und Mitarbeitenden zu finden. So prägt man eine Kultur, die fit für die Herausforderungen unserer Zeit ist.