Sieht so für manche Firmen vielleicht bald die Realität aus? Während das Projekt z.B. in den USA getriggert wird, sitzen Projektmitarbeiter in der ganzen Welt und arbeiten gemeinsam am Gelingen. Nicht nur aus Mangel an Fachkräften, beispielsweise im IT-Bereich, gehen Unternehmen diesen noch recht neuen Weg und üben sich im so genannten Crowdsourcing. Was genau ist jedoch Crowdsourcing und wo wird es angewandt?
Ist Crowdsourcing eventuell auch eine Alternative für deutsche HR-Teams?
Der Begriff Crowdsourcing wurde erstmalig 2006 von Jeff Howe und Mark Robinson erwähnt, den Editoren des „Wired“-Magazins. Das Grundprinzip des Crowdsourcing ist, zu bearbeitende Aufgaben oder gewünschte Information nicht nur über die zugehörigen Mitarbeiter des Unternehmens einzuholen, sondern sich der gesammelten Arbeitskraft eines Netzwerks zu bedienen. Führende Crowdsourcing-Plattformen, wie Upwork (Kalifornieren, gegründet 2013) oder Freelancer (Sydney, gegründet 2009) motivieren uns dazu, einen Teil des eigenen Projektes auszuschreiben und eine vielfältige Gruppe von Menschen daran mitarbeiten zu lassen. Diese bringen ihre Ideen ein und geben uns eine vielleicht auch komplett neue Sichtweise. Man geht in diesen Plattformen davon aus, dass der so genannte „Network effect“ einsetzt, denn egal wie spezifisch die Aufgabe auch ist, irgendjemand in der Community hat vielleicht genau das Wissen, was wir brauchen. Hier liegt auch einer der wesentlichen Vorteile des Crowdsourcing: insbesondere im Fall von sehr speziellen Aufgaben, welche nicht allzu häufig im jeweiligen Unternehmen anfallen, kann es ökonomisch günstiger sein, im weltweiten Netz von Freelancern nach der richtigen Person zu suchen, welche diese Aufgabe in kurzer Zeit erledigen kann. Ein weiterer Vorteil ist auch, dass Crowsourcing meistens keine längerfristigen Verpflichtungen für das jeweilige Unternehmen nach sich zieht, wie es bei einer Festanstellung oder auch dem Outsourcing der Fall ist. Bezahlt wird meist ein Fixpreis oder Stundenlohn für eine Aufgabe. Beleuchtet man den Preis näher so liegt der durchschnittliche Auftrag in diesen Plattformen bei durchschnittlich 500 bis 1.400 US-Dollar. Das bedeutet nicht nur maximale Flexibilität, sowohl für das ausschreibende Unternehmen, als auch für den Freelancer, sondern auch einen geringen finanziellen Aufwand. Freelancer sind außerdem nicht „betriebsblind“ durch eine lange Zugehörigkeit und durch zu viel Routinetätigkeit am Arbeitsplatz demotiviert und schnell gelangweilt. Der Unterschied von Crowdsourcing zum klassischen Outsourcen liegt darin, dass man nicht nur eine Firma oder einen Freiberufler beauftragt, ein spezifisches Projekt zu bearbeiten, sondern mehrere Menschen, die sich auch zweifelsohne an den verschiedensten Orten der Welt aufhalten können. Mittlerweile geht man davon aus, dass der Freelancer-Markt in Amerika bei schon 53 Millionen liegt und weiter stetig zunimmt. Mittlerweile stellen Freelancer, laut eines Berichts der Freelances Union und Elance-oDesk, 34% der nationalen Belegschaft dar. Crowdsourcing wurde allerdings erst in den letzten Jahren populärer und kam einher mit dem Beginn der genannten Gig-Economy. Dort sind Arbeitskräfte sind in der Regel nicht festangestellt, sondern werden nach Auftrag, „Gig“, bezahlt. Der Fahrdienst-Anbieter Uber ist ein prominentes Beispiel dafür. Diese neue Herangehensweise verändert nicht nur die Eigenschaften eines typischen Arbeitsplatzes unumkehrbar. In Zeiten, in denen „Millenials“ die Mehrheit der Arbeitskräfte stellen und die „Baby Boomer“ langsam in Rente gehen, ist diese Maßnahme auch durchaus nachvollziehbar. Auf der einen Seite haben wir heute die neue Generation Mitarbeiter, die nicht immer gewillt ist, in traditionellen Firmen „Nine to five“ zu arbeiten. Sie wollen vielmehr an spannenden Projekten mitwirken, viel Mitspracherecht in der Entscheidungsfindung haben oder aber auch weitestgehend flexibel und ortsungebunden arbeiten. Auf der anderen Seite haben wir große, mitunter traditionelle, Firmen, die händeringend Mitarbeiter suchen. Im Fazit heißt das einfach auch, dass es auch als Arbeitgeber nicht immer leicht ist, ständig innovativ zu sein und gleichzeitig seine Mitarbeiter in unternehmerisch denkende Arbeitskräfte zu verwandeln, die sich an ständig verändernde Konstellationen flexibel anpassen und trotzdem den „Revenue stream“ erhalten. Wie kommen wir also aus diesem Dilemma heraus?
Ist Crowdsourcing die Lösung, auf die wir alle gewartet haben? Definitiv vielleicht!
US-Fortune-500-Firmen machen es uns seit dem Aufstieg von sozialen Netzwerken vor: Pepsi, die NASA, das Forbes-Magazine, Boeing, Facebook und noch viele andere mehr schauen mittlerweile auch außerhalb ihrer eigenen vier Wände um anderen ein Stück voraus und innovativer als der Wettbewerber zu sein. Immer mehr Projekte werden in geschützten Cloud-Servern und mit, speziell im HR-Bereich, Verschwiegenheitsvereinbarungen an eine Gruppe an Freelancern via Crowdsourcing ausgegliedert. Manchen Firmen und Mitarbeitern eröffnen sich damit selbst eine Vielzahl neuer Möglichkeiten und durchaus auch Freiraum, um nicht in Routinearbeiten unterzugehen. Ein gewisses „Think outside the box“ wird generiert und der „Work on demand workforce“ trägt mitunter maßgeblich zum Erfolg eines Projekts bei. Damit wird der klassische HRler heute auch zum Strategic Talent Coordinator. Vor Projektstart sollte man sich jedoch schon ein paar Gedanken zum Gelingen machen und klare, regelmäßige Kommunikation zwischen Freelancer und Firma ist das A und O. Wenn ein Freelancer einem bestehenden Projektteam zuarbeitet, müssen die Rollen im Team vollständig geklärt sein, sämtliche Informationen müssen transparent sein und der generelle und uneingeschränkte Wille zum Crowdsourcing muss da sein. Auch sollte man sich im Klaren sein, dass der Freelancer eben kein Mitarbeiter des eigenen Unternehmens ist, er die internen Gepflogenheiten nicht kennt und auch zum Projekt noch keine Vorabinformationen aus vorangegangenen Meetings hat. Wenn man all das berücksichtigt, dann steht dem erfolgreichen Crowdsourcing nichts im Wege. Insbesondere im HR-Bereich bedeutet Crowdsourcing nicht nur, sich der Arbeitskraft eines weltweiten Netzwerkes zu bedienen, sondern auch, sich spezifische Informationen von einer großen Zahl Mitarbeitern über das Netz zu besorgen. Ein prominentes Beispiel für Crowdsourcing im HR-Bereich ist die Firma IBM. IBM hat 2016 ihr „Annual Performance Measurement System“ neu ausgerollt und nicht wie sonst durchaus üblich ein komplett neues System im Alleingang implementiert. IBM hat sich vielmehr an 380.000 Mitarbeiter in 170 Ländern gewandt, um ein neues System von Grunde auf zu designen. Diane Gherson, Senior VP HR, postete eine Nachricht in IMBs sozialem Netzwerk und fragte die Mitarbeiter, wie sie sich ein neues Performance System vorstellen und bat um Mithilfe. Der Post erhielt unglaubliche 75.000 Klicks und 2.000 Kommentare von Mitarbeitern und heraus kam ein komplett anderes System, als es sich das HR-Team vorgestellt hatte und mit dem auch keiner sonst gerechnet hatte. Ursprünglich wollte IBM im Rahmen der Performance Reviews die Mitarbeiter eine Art „Self assessment“ machen lassen, die Belegschaft entschied sich jedoch komplett dagegen. Ebenfalls wünschten sich die Angestellten mehr und vor allem regelmäßiges Feedback als nur die sonst üblichen drei Zyklen pro Jahr. Performance Rankings wurden ebenfalls komplett überarbeitet und heraus kam eine komplett neue Performance-Review-Methode mit kürzeren Abständen zur Zielerreichung und quartalsweisen Feedback. Am Jahresende werden die Mitarbeiter von IBM jetzt hinsichtlich fünf komplett neuer Kriterien (Business result, Impact on client success, Innovation, Personal resposibility to others und Skills) bewertet. Wie jeder Arbeitgeber weiß, sind Mitarbeiter ein wichtiger Teil ihres Geschäfts. Sind diese zufrieden, sind am Unternehmenserfolg beteiligt und fühlen sich wertgeschätzt, sind sie in der Regel glücklicher und auch bereit den Extra-Schritt zu gehen. An Hand dieses Beispiels kann man sehen, dass Crowdsourcing im HR-Bereich durchaus möglich ist und auch schon gelebt wird. Es gibt zahlreiche weitere Beispiele für erfolgreiches Crowdsourcing im HR-Bereich, z.B. das Führen von Interviews (z.B. via Skype), Recruiting, Candidate Sourcing, Talentmanagement etc. Ein Vorteil des Crowdsourcings ist hierbei, dass es dem HR-Bereich eines Unternehmens erlaubt, auf kurzfristige Belastungsspitzen flexibel zu reagieren, ohne dabei den gesamten Prozess aus der Hand zu geben. Typisch für das Crowdsourcing ist die enge Zusammenarbeit von Auftraggeber und Freelancer. Nachteilig ist hingegen, dass nur selten persönlicher Kontakt zum Freelancer besteht und sich so nur schwer eine konstante Zusammenarbeit etablieren lässt, wenn denn gewünscht. Es ist daher für das Unternehmen wichtig, nicht die Basis und das Know-how im Unternehmen zu verlieren und genau abzuwägen, welche Arbeitsschritte von der anonymen „Crowd” übernommen werden können. In jedem Fall kann man sich dem Trend zu Crowdsourcing, zumindest auf dieser Seite des Atlantiks nicht mehr entziehen. Crowdsourcing ist eine der größten Veränderungen der Zusammenarbeit des 21. Jahrhunderts und sicher ein Stück weit auch eine unausweichliche Konsequenz des globalen Marktes.